… Demgegenüber sieht man sich in Małgorzata Sztremers Bildern einer figurativen Malerei mit großem Detailreichtum gegenüber. In dieser Bilderwelt agieren ausschließlich Frauengestalten in verschiedenen Erscheinungsformen in einem bühnenartigen Bildraum. Motivisch inspiriert sind Małgorzata Sztremers Bildideen hauptsächlich von Märchen und Mythen, die sie neu erzählt. Beispielsweise setzt sie beinahe humoristisch die immer gleiche Struktur des Märchens mit der stereotypen Schlussformel „Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute“ außer Kraft, indem sie Aschenputtel schwanger darstellt. Die „Show“ geht also weiter.
Eine zentrale Figur in Małgorzatas Motivwelt ist die Hexe. Nahezu programmatisch dafür ist das Bild „Baba Silber“. Prominent in Szene gesetzt wird Baba Yaga, eine Figur im slawischen Volksmärchen, die sowohl Strafende als auch Helferin sein kann. Gerade ihre Unberechenbarkeit macht sie zu einer interessanten Figur.
Im Gegensatz zum Stereotyp der Hexe als böse Frau mit übernatürlichen Kräften erscheint sie in der Malerei Małgorzata Sztremers zwar als besondere Erscheinung, jedoch nicht als Symbolträgerin von Gut und Böse. Der silberne rüstungsartige Leib der titelgebenden Figur betont vielmehr die ursprünglichen Assoziationen, die mit Baba Yaga in Verbindung stehen: Natur, Matriarchat und Unterwelt.
Die freundlich lächelnde Baba Yaga schwebt im Zentrum des Bildes. Ihr Körper schimmert metallen-silbern. Der sich bauschende feuerrote Rock und der nach oben wehende Umhang zeigen den Moment des Heranschwebens der Hexe. Von links nähert sich ihr eine große schwarze Katze. Im rechten Bildteil arbeiten drei Frauen an einer ebenfallssilbernen Figur ohne Gesicht. Auf einem Felsvorsprung im Hintergrund liegt eine schlafende Frau. Die Szene ist in eine Gebirgslandschaft eingebettet. Die große Hauptfigur in der vertikalen Mittelachse des Bildes verbindet den räumlich tiefer liegenden dunkeltonigen Vordergrund mit dem in der Tiefe des Bildraumes liegenden Horizont. Die Farbgebung der Kleider in den Primärfarben Rot, Blau und Gelb treten in ihrer Intensität hervor, werden jedoch zugleich in der gebrochenen Farbgebung der Umgebung eingebettet oder wieder-aufgenommen, wie beispielsweise das Blau des Kleides im Blau des in der Ferne liegenden Gebirges und des Himmels. Die verschiedenen Oberflächen und Stofflichkeiten - das Fell der Katze, die Kleider, die Glätte des Metalls sind in ihren unterschiedlichen Qualitäten detailliert ausgearbeitet.
Die Hexe als Symbolträgerin für die besondere Verbindung des Weiblichen mit der Erde taucht auch in den Bildern Malachit und Azurit auf. Das Interesse an der Hexe als souveräne, unabhängige Frauengestalt verbindet sich mit dem Interesse der Malerin an der Farbigkeit und Materialität der Minerale. Wie das metallische Silber der Baba Yaga üben das Blau und das Grün, die kristalline, schillernde Oberfläche der Minerale eine große Faszination auf die Malerin aus. Die Beschäftigung mit der Etymologie, mit der mineralogischen Klassifizierung, der Verwendung der Minerale in der Geschichte als auch mit esoterischen Deutungen der Minerale als Heilsteine führen zu einem Konglomerat aus verschiedenen miteinander verwobenen Bildmotiven. Es beginnt ein langer Malprozess, während dessen Małgorzata Sztremer ihre Protagonistinnen ins Verhältnis setzt zu ihren Recherchen und den darauf beruhenden komplexen gedanklichen Verbindungen.
Die Gedankenwelt der Künstlerin kann man wohl am besten beschreiben mit „Alles hat mit allem zu tun“. Das Ringen um die Form für diese Art des ganzheitlichen Denkens bleibt stellenweise sichtbar. Małgorzata Sztremer arbeitet an einem Detail Strich für Strich und Schicht für Schicht, wobei Übermalungen nachvollziehbar bleiben. Zugleich entstehen Partien rein malerischer Natur, wenn sich der Farbauftrag von der Gegenständlichkeit löst und die Figuren wie im Entstehen begriffen erscheinen. Nahezu mimetisch dargestellte Bildobjekte wie beispielsweise eine Erdbeere treten plastisch aus einem eher malerisch-gestischen Bildbereich hervor.
Raum, Kleidung und Ausstattung geben keinen Hinweis auf reale Landschaften oder Zeitepochen. Vielmehr ist es eine Montage aus erinnerten Räumen und Situationen sowie Bildtraditionen aus der Kunstgeschichte. Letzteres zeigt sich insbesondere in der renaissancehaften kompositorischen Betonung der Bildmitte, in Zitaten von Architekturelementen, in der klassischen Konstruktion des Bildraumes in Vorder, -Mittel- und Hintergrund sowie in der an die Romantik erinnernde Landschaftsgestaltung.
Die Funktion und das Wesen der Figuren bestimmen die Konstruktion des Bildraumes. Je mehr die Malerin sich während des Malprozesses der Perspektive ihrer Figuren annimmt, desto komplexer ist die Aufgabe, ihnen den adäquaten Handlungsraum zu geben.
Durch Farbgebung und Komposition sind alle Figuren und Bildgegenstände miteinander vernetzt. Die Hauptszenen bilden gemeinsam einen Dreiklang der Grundfarben Blau, Rot und Gelb oder einen fast komplementären Kontrast Ein großer Azurit im Vordergrund in der rechten Bildhälfte wie auch im Hintergrund tritt mit der großen Frauengestalt in warmem Gelb in einen Dialog. Die Stofflichkeit des Gesteins und seine kristalline und glatte Oberfläche bilden die Hintergrundlandschaft. Innerhalb der Komposition haben jede Figur und jeder Bildgegenstand ein formales, stoffliches und farbiges „Echo“: Eine schwebende verschleierte Frau hält eine Muschel in den Händen. Wiederholt wird das Muschelmotiv an der Grenze von der vorderen zur mittleren Bildebene. Die schwarze Katze links bildet ein Pendant zur verschleierten Frau rechts. Sie befinden sich auf der gleichen mittleren Bildebene. Alles hat mit allem zu tun.
Małgorzata Sztremer vermeidet starke Licht-Schatten-Kontraste. Es herrscht vielmehr eine bildflächenübergreifende, ausgewogene Verteilung von nuancierten helleren und dunkleren Partien. Diese undramatische Lichtführung steht im Gegensatz zum rätselhaften Geschehen imzumeist bühnenartigen Bildraum. Schwarze Katzen, Schmetterlinge und Vögel sind ebenbürtige Gefährten der Frauen. Der Schmetterling spielt seit jeher eine wichtige Rolle in vielen Kulturen. Seine Metamor-phose von der Raupe zum farbigen Falter hat schon immer fasziniert und seine zarten Flügelbewegungenähneln denen der Elfen. Trotz des Wissens um tradierte Bedeutungen einzelner Bildmotive bleiben die Bilder rätselhaft und geheimnisvoll. Ausgehend von einem ganzheitlichen – magisch aufgeladenen -Naturverständnis, schafft Małgorzata Bilder von verzauberten Momenten innerhalb einer Erzählung. Jedes Bild ist ein Akt innerhalb ihres persönliches Schauspiels mit Haupt- und Nebenrollen, wobei das „Bühnenbild“ materieller Ausdruck für das Geistige der Figuren ist. Mit ihren Bildern mag sich Małgorzata Sztremer zuweilen dem Verdacht aussetzen, ihre Kunst sei Ausdruck romantischer Verklärung und Weltabgewandtheit. Allerdings ist es gerade das fehlende Pathos, mit der uns diese freundlichen Wesen gegenübertreten und sich in ihrem Tun selbst genügen, was berührt und einer Überhöhung entgegenwirkt.
Friederike Steitz, Auszug aus dem Katalogtext „…alles übrige blieb unsichtbar.“ Museum St.Wendel 2022
︎︎︎
Eine zentrale Figur in Małgorzatas Motivwelt ist die Hexe. Nahezu programmatisch dafür ist das Bild „Baba Silber“. Prominent in Szene gesetzt wird Baba Yaga, eine Figur im slawischen Volksmärchen, die sowohl Strafende als auch Helferin sein kann. Gerade ihre Unberechenbarkeit macht sie zu einer interessanten Figur.
Im Gegensatz zum Stereotyp der Hexe als böse Frau mit übernatürlichen Kräften erscheint sie in der Malerei Małgorzata Sztremers zwar als besondere Erscheinung, jedoch nicht als Symbolträgerin von Gut und Böse. Der silberne rüstungsartige Leib der titelgebenden Figur betont vielmehr die ursprünglichen Assoziationen, die mit Baba Yaga in Verbindung stehen: Natur, Matriarchat und Unterwelt.
Die freundlich lächelnde Baba Yaga schwebt im Zentrum des Bildes. Ihr Körper schimmert metallen-silbern. Der sich bauschende feuerrote Rock und der nach oben wehende Umhang zeigen den Moment des Heranschwebens der Hexe. Von links nähert sich ihr eine große schwarze Katze. Im rechten Bildteil arbeiten drei Frauen an einer ebenfallssilbernen Figur ohne Gesicht. Auf einem Felsvorsprung im Hintergrund liegt eine schlafende Frau. Die Szene ist in eine Gebirgslandschaft eingebettet. Die große Hauptfigur in der vertikalen Mittelachse des Bildes verbindet den räumlich tiefer liegenden dunkeltonigen Vordergrund mit dem in der Tiefe des Bildraumes liegenden Horizont. Die Farbgebung der Kleider in den Primärfarben Rot, Blau und Gelb treten in ihrer Intensität hervor, werden jedoch zugleich in der gebrochenen Farbgebung der Umgebung eingebettet oder wieder-aufgenommen, wie beispielsweise das Blau des Kleides im Blau des in der Ferne liegenden Gebirges und des Himmels. Die verschiedenen Oberflächen und Stofflichkeiten - das Fell der Katze, die Kleider, die Glätte des Metalls sind in ihren unterschiedlichen Qualitäten detailliert ausgearbeitet.
Die Hexe als Symbolträgerin für die besondere Verbindung des Weiblichen mit der Erde taucht auch in den Bildern Malachit und Azurit auf. Das Interesse an der Hexe als souveräne, unabhängige Frauengestalt verbindet sich mit dem Interesse der Malerin an der Farbigkeit und Materialität der Minerale. Wie das metallische Silber der Baba Yaga üben das Blau und das Grün, die kristalline, schillernde Oberfläche der Minerale eine große Faszination auf die Malerin aus. Die Beschäftigung mit der Etymologie, mit der mineralogischen Klassifizierung, der Verwendung der Minerale in der Geschichte als auch mit esoterischen Deutungen der Minerale als Heilsteine führen zu einem Konglomerat aus verschiedenen miteinander verwobenen Bildmotiven. Es beginnt ein langer Malprozess, während dessen Małgorzata Sztremer ihre Protagonistinnen ins Verhältnis setzt zu ihren Recherchen und den darauf beruhenden komplexen gedanklichen Verbindungen.
Die Gedankenwelt der Künstlerin kann man wohl am besten beschreiben mit „Alles hat mit allem zu tun“. Das Ringen um die Form für diese Art des ganzheitlichen Denkens bleibt stellenweise sichtbar. Małgorzata Sztremer arbeitet an einem Detail Strich für Strich und Schicht für Schicht, wobei Übermalungen nachvollziehbar bleiben. Zugleich entstehen Partien rein malerischer Natur, wenn sich der Farbauftrag von der Gegenständlichkeit löst und die Figuren wie im Entstehen begriffen erscheinen. Nahezu mimetisch dargestellte Bildobjekte wie beispielsweise eine Erdbeere treten plastisch aus einem eher malerisch-gestischen Bildbereich hervor.
Raum, Kleidung und Ausstattung geben keinen Hinweis auf reale Landschaften oder Zeitepochen. Vielmehr ist es eine Montage aus erinnerten Räumen und Situationen sowie Bildtraditionen aus der Kunstgeschichte. Letzteres zeigt sich insbesondere in der renaissancehaften kompositorischen Betonung der Bildmitte, in Zitaten von Architekturelementen, in der klassischen Konstruktion des Bildraumes in Vorder, -Mittel- und Hintergrund sowie in der an die Romantik erinnernde Landschaftsgestaltung.
Die Funktion und das Wesen der Figuren bestimmen die Konstruktion des Bildraumes. Je mehr die Malerin sich während des Malprozesses der Perspektive ihrer Figuren annimmt, desto komplexer ist die Aufgabe, ihnen den adäquaten Handlungsraum zu geben.
Durch Farbgebung und Komposition sind alle Figuren und Bildgegenstände miteinander vernetzt. Die Hauptszenen bilden gemeinsam einen Dreiklang der Grundfarben Blau, Rot und Gelb oder einen fast komplementären Kontrast Ein großer Azurit im Vordergrund in der rechten Bildhälfte wie auch im Hintergrund tritt mit der großen Frauengestalt in warmem Gelb in einen Dialog. Die Stofflichkeit des Gesteins und seine kristalline und glatte Oberfläche bilden die Hintergrundlandschaft. Innerhalb der Komposition haben jede Figur und jeder Bildgegenstand ein formales, stoffliches und farbiges „Echo“: Eine schwebende verschleierte Frau hält eine Muschel in den Händen. Wiederholt wird das Muschelmotiv an der Grenze von der vorderen zur mittleren Bildebene. Die schwarze Katze links bildet ein Pendant zur verschleierten Frau rechts. Sie befinden sich auf der gleichen mittleren Bildebene. Alles hat mit allem zu tun.
Małgorzata Sztremer vermeidet starke Licht-Schatten-Kontraste. Es herrscht vielmehr eine bildflächenübergreifende, ausgewogene Verteilung von nuancierten helleren und dunkleren Partien. Diese undramatische Lichtführung steht im Gegensatz zum rätselhaften Geschehen imzumeist bühnenartigen Bildraum. Schwarze Katzen, Schmetterlinge und Vögel sind ebenbürtige Gefährten der Frauen. Der Schmetterling spielt seit jeher eine wichtige Rolle in vielen Kulturen. Seine Metamor-phose von der Raupe zum farbigen Falter hat schon immer fasziniert und seine zarten Flügelbewegungenähneln denen der Elfen. Trotz des Wissens um tradierte Bedeutungen einzelner Bildmotive bleiben die Bilder rätselhaft und geheimnisvoll. Ausgehend von einem ganzheitlichen – magisch aufgeladenen -Naturverständnis, schafft Małgorzata Bilder von verzauberten Momenten innerhalb einer Erzählung. Jedes Bild ist ein Akt innerhalb ihres persönliches Schauspiels mit Haupt- und Nebenrollen, wobei das „Bühnenbild“ materieller Ausdruck für das Geistige der Figuren ist. Mit ihren Bildern mag sich Małgorzata Sztremer zuweilen dem Verdacht aussetzen, ihre Kunst sei Ausdruck romantischer Verklärung und Weltabgewandtheit. Allerdings ist es gerade das fehlende Pathos, mit der uns diese freundlichen Wesen gegenübertreten und sich in ihrem Tun selbst genügen, was berührt und einer Überhöhung entgegenwirkt.
Friederike Steitz, Auszug aus dem Katalogtext „…alles übrige blieb unsichtbar.“ Museum St.Wendel 2022
︎︎︎